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280
Seiten,
Festeinband mit Schutzumschlag,
acht Seiten historische Fotografien zur Familiengeschichte
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ISBN 978-3-947646-66-1
25 EUR
Bestellungen über den Herausgeber,
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Im Herbst 1994
begegnet Landolf Scherzer im Thüringer Wald Marianne
Stracke. Der Beginn einer Brieffreundschaft und der Anfang
einer Reise in das Innere des eigenen Landes: Denn sie schreibt
an einer Geschichte ihrer weitverzweigten Familie Kämpf,
der Schneider von Benshausen.
Als sie 2004 stirbt, übergibt ihr Sohn dem Schriftsteller
mehr als 600 Seiten Briefe, Tagebücher und Erinnerungen.
Erst zwanzig Jahre später sichtet Scherzer das Material.
Immer wieder ist er in die Ferne aufgebrochen, hat überall
nach Hoffnungskeimen gesucht. Im Zusammenbruch der Utopien
entdeckt er nun die Alltagsgeschichten einer Familie von
unheldischen Helden.
„Keiner von ihnen“, sagt Marianne, „konnte
sich aus den Zwängen seiner Zeit befreien.“ Vielleicht
liegt gerade darin, im Aushalten der Zwänge und dem
Dennoch-Menschlich-Bleiben eine verborgene Kraft, die große
Kraft der kleinen Leute.
Doch was sind das für Leute? Sind die Kleinen wirklich
bessere Menschen als die vermeintlich Großen? Landolf
Scherzer hat diese Frage dreißg Zeitzeugen gestellt:
Studenten, Rentnern, Arbeitern, Angestellten, Schriftstellern
und Journalisten (wie Steffen Mensching und Günter
Wallraff), Politikern, Diplomaten (wie der ehemalige Botschafter
Russlands Wladimir Kotenew), eine Bestatterin, Ärzten,
Lehrern, Bürgermeistern und Unternehmern.
Ihre Antworten sind der Familiengeschichte eingewoben wie
ein roter Faden, machen sie exemplarisch als Gleichnisse
für die Erfahrungen Vieler. Sie führen ins Offene
der großen Geschichte, die mit und durch uns selber
geschieht.
Landolf Scherzer,
geb. 1941 in Dresden, Journalistik-Studium in Leipzig; 1966
exmatrikuliert wegen allzu wahrer Reportagen; bis 1975 Redakteur
beim „Freien Wort“ in Suhl; danach freischaffender
Schriftsteller; lebt in Dietzhausen bei Suhl.
Wie sein Vorgänger Egon Erwin Kisch ein „rasender
Reporter“, der die Welt von unten erkundet, mit Neugier
und Zorn auf die Ungerechtigkeiten hinter dem jeweils herrschenden
Recht, vor wie nach 1989.
Er hat über 30 Bücher verfasst. Scherzer fuhr
nach China, ins krisengebeutelte Griechenland, nach Kuba
und auf die Krim, um von Alltagserfahrungen zu berichten,
die nicht in den Weltnachrichten stehen. Seine jüngste
Entdeckungsreise führte ihn in sein Nachbardorf Benshausen.
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Pressestimmen
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im Schicksal des einfachen Menschen glaubt Landolf Scherzer
Antworten auf die Frage nach dem Weltenlauf zu finden. Kleine
Leute sind es, die die Dinge am Laufen halten – ohne
den Zeiten und ihren jeweiligen Potentaten zu entkommen.
In deren Biografien wiederholen sich immer wieder Krieg
und Frieden, Aufbau und Zerstörung, Harmonie und Streit,
gute wie schlechte Jahre. Scherzer richtet ein Brennglas
auf die Familie Kämpf – und entwickelt so das
Panorama einer ganzen Epoche, das zurückreicht bis
vor den Ersten Weltkrieg und erst weit nach dem Mauerfall
endet.
(...) Landolf Scherzer urteilt nicht. Er lässt die
Zeit sprechen und ihre Umstände. Das Leben, das die
kleine Familie – Arthur, Irma und Marianne –
nach Berlin spült. Erzählt Wünsche und Träume.
Berichtet auch von den Verführungen einer Zeit, denen
nur wenige widerstehen können.
Mariannes Sohn Hans hat ihm die Aufzeichnungen mit folgenden
Worten überlassen: „Das sind hundert Jahre Familiengeschichte.
Hundert Jahre Krieg und Frieden. Die Friedenssehnsüchte
unserer Urgroßmütter, der roten und der schwarzen
Anna, die Begeisterung ihrer Kinder zuerst für den
sozialdemokratischen Kriegsgegner August Bebel und später
für Hitlers Feldzüge “ Was für ein
einzigartiges Material hält er da in seinen Händen?
(...) Er beginnt zu scheiben. Und muss dabei an Mariannes
Worte denken: „Die Kämpfs und ihre Lebensgeschichten
sind alle unterschiedlich und haben doch etwas Gemeinsames:
Niemand von ihnen konnte sich aus den Zwängen seiner
Zeit befreien.“ Das ist das Thema. Das ist die Geschichte.
Ein Panorama auf den Weltenlauf ... Spannend und hin und
wieder mit augenzwinkernd bodenständiger Sprache geschrieben.
Was die Menschen durch die Zeiten treibt, sind die Umstände.
Diese Erkenntnis hilft beim Blick auf aktuelle Turbulenzen.
Peter Lauterbach, in: Freies Wort, Suhl, 29.11.2024
Ich lese und lese und lerne dabei auch eine erfrischend
neue Seite des alten Scherzer kennen, den Geschichtenerzähler,
der mit Wörtern jongliert und das Gesprochene regional
einfärbt. Immer wieder fragt er sich und andere, was
diese sprichwörtlich „kleinen Leute“ eigentlich
ausmacht. Der Rudolstädter Theaterintendant Mensching
meint, die Kleinheit werde ihnen nur eingeredet, damit man
sie leichter übersieht. Ihnen verdanke unsereiner sein
bequemes Leben, weiß der Dachdecker Jasper. Und der
Investigativ-Reporter Wallraff hält die Kleinen für
die wahrhaft Großen.
Frank Quilitzsch, in: Thüringische Landeszeitung
(TLZ), 4.12.2024
Lebens Lauf: Für den Reporter Landolf Scherzer war
das stets auch Weltenlauf. Vor allem Weltenhoffnung. Denn
Rot lockte der Stern über den Segelschiffen der Utopie.
Bis aus DDR Osten wurde. Nun scheint es ausgeblichen, das
Firmament. Scherzer, dieser leidenschaftlich recherchierende
Sozial-Abenteurer, schreibt in dieser Lage, für ihn
selbst überraschend, eine Familiengeschichte aus unmittelbarer
Umgebung – als müsse er eine Schockstarre überwinden.
Er fragt nicht nur Leute, er fragt sich: Warum das Dorf
statt der Weite? „Weil ich nicht mehr neugierig bin
auf das Heute der großen Weltpolitik? Oder weil ich
hinter den Lügen … die einfache Wahrheit nicht
mehr finde?“
Das Einfache? Es war doch nie der Stoff dieses Vielfalts-Chronisten.
Mit der Geschichte der Thüringer Familie Kämpf
aus Benshausen – Dienstmädchen und Bauern, Gewehrmacher
und Gewerbelehrer, Gläubige und Genossen – schreibt
er ein Buch gegen das Klischee von den sogenannten kleinen
Leuten. (...)
Ehrliches Schreiben ist Selbsthilfe. Ist Zuversicht, es
fände sich im Austausch eine offene Stelle, an der
die Welt lächelt und sagt: Nichts wird besser, aber
du bist nicht allein. (…)
Trifft dies nicht auf so viele politische Bewegungen zu?
Man ist dabei, aber doch nicht ganz drin, man ist mitschuldig
und unschuldig auch. So hat Scherzer ein Buch geschrieben
gegen alle, die aufs Vergangene einen kolonialistischen
Blick werfen: Sie erfassen und richten aus der Perspektive
einer späteren Zeit und meinen, das Frühere genauer
zu kennen, als Beteiligte sich erinnern. (…)
Er bleibt ein Seismograph für böses Erwachen im
Mahlwerk Geschichte, aber ebenso, noch immer, ist er ein
Feinfühler für hartnäckige Träume. (…)
Scherzer reportiert, was jeder Mensch wohl allabendlich
bilanzieren muss: Ich bin auch heute wieder hinter mir zurückgeblieben.
Aber seltsam, dem Narkotikum Sehnsucht tut das keinen Abbruch.
Sehnsucht wiederholt sich, als gäbe es keinerlei sie
widerlegende Erfahrung. Keine Sehnsucht ist zu Ende zu bringen.
(…)
Kleine Leute? Das klingt wie kleiner Bürger. Kleiner
Bürger zu sein, das ist Emanzipation! Ist Befreiung
von der menschlichen Maßlosigkeit, zu leben und auch
noch groß darüberstehen zu wollen. Maß!
Davon verstehen die Kämpfs etwas, Artur war der Schneider
von Benshausen! Maß nehmen heißt auch: Maß
halten, hart und heiter. (...)
Das Buch ist ein Religionsdokument: Es glaubt – an
den Menschen. Ja. Unpathetisch, detailbewusst entfaltet
es eine schöne Fürbitte: doch immer mit sich selbst
(und den Seinen und der Welt!) in einer sorgsamen, sorgebewussten
Zwiesprache zu bleiben. Und vielleicht beginnt Literatur
dort, wo sich ins Erinnern auch Erzählungen mischen,
von denen man gar nicht erzählen wollte. Scherzer ist
in diesem Sinne ein zugewandter, herzensoffener Fallensteller.
Auch das macht dieses Buch zum Erlebnis.
Hans-Dieter Schütt, in: Neues Deutschland,
14.1.2025
Etwas Unerzähltes sozusagen vor der
eigenen Haustür. Die „kleinen Leute“, die
hart arbeiten und meist im Schatten stehen. Medial ins angeblich
Uninteressante abgeschoben, während irgendwelche angeblich
Prominente Schlagzeilen machen. Auf eine leise Art zieht
uns Landolf Scherzer ins Nachdenken. (...)
„Ist das Kleinbürgertum wirklich, wie von der
marxistischen Philosophie behauptet, die Wurzel allen deutschen
Übels? Oder inzwischen Bewahrer von heutzutage nicht
mehr geachteten, aber wichtigen humanistischen Lebenswertmaßstäben?“
Dass sein Buch so nachhaltig wirkt, hat mit diesen Fragen
zu tun, die ihn selber umgetrieben, ja gar in eine neue
Schreibrichtung gelenkt haben: aus der Weite in die Nähe.
(...) Aber was sind „die kleinen Leute“? Danach
hat er zwanzig Personen unterschiedlichster Profession und
Herkunft gefragt, vom Jauchefahrer bis zum Theaterintendanten.
Ihre Antworten sind als kurze Zwischenkapitel eingefügt,
so dass die „Thüringer Familiengeschichte“
eine zweite Ebene erhält. Das nachvollziehbar Konkrete
in den Lebensläufen der Kämpfs, das er uns so
lebendig vor Augen führt, wird mit Erkundigungen allgemeinerer
Art konfrontiert, die uns über Heutiges nachdenken
lassen.
(...) Der Verlust an Zukunftssicherheit, das auf dem Lande
weit verbreitete Gefühl, abgehängt, ja nicht einmal
bemerkt zu sein von jenen, die in der urbanen Öffentlichkeit
den Ton angeben, ein Wertewandel, der viele außen
vor ließ – was Soziologen wie Steffen Mau, Andreas
Reckwitz, Hartmut Rosa analysiert haben, kommt einem beim
Lesen in den Sinn. Auch der Rechtsdrift, der nicht nur Linke
wie Landolf Scherzer beunruhigen muss. Immer schon war er
ein politisch denkender Mensch, aber inzwischen 83, stellt
er sich auf Verluste ein, sucht nach dem, was gesellschaftliche
Turbulenzen überdauern könnte. Wie soll man leben,
wenn sich der Horizont verdunkelt? „Niemand von ihnen
konnte sich aus den Zwängen seiner Zeit befreien. Genau
so wenig wie du und ich. Gestern nicht, heute nicht und
an keinem Ort der Welt.“
Was Marianne einst zu ihm sagte, nimmt er nun als Trost.
Schwieriges durchzustehen und menschlich zu bleiben –
darin sieht er die „große Kraft der kleinen
Leute“.
Irmtraud Gutschke, in: Freitag, 13.2.25
(auch unter: www.literatursalon.online/romane-und-erzaehlungen/landolf-scherzer-die-kaempfs/)
Landolf Scherzer lässt, so oft es geht,
seine „Helden“ selbst zu Wort kommen, flicht
lange Passagen aus Marianne Strackes Vorarbeiten zu ihrer
Familiengeschichte ein, zitiert ganze Briefe und rekapituliert
Begegnungen mit einzelnen Familienmitgliedern. Unterm Strich
ist ihm mit „Die Kämpfs“ damit tatsächlich
ein Hohelied auf die, wie es im Untertitel heißt,
„große Kraft der kleinen Leute“ gelungen,
das man mit Spannung verfolgt.
Dietmar Jacobsen, in: Palmbaum. Literarisches
Journal aus Thüringen,
Heft 1/2025
... Es ist ein berührendes Buch. Und ein wichtiges.
Weil es etwas zeigt, was in unserer medialen Wirklichkeit
kaum noch vorkommt: Wie Menschen sich in einer Welt behaupten,
in der sie immer um das Lebensnotwendigste kämpfen
müssen, ihnen nichts geschenkt wird und sie trotzdem
ihre kleinen und großen Träume zu erfüllen
versuchen.
... Es kommen keine Politiker vor, keine Künstler,
keine Helden. Und trotzdem oder gerade deswegen werden sich
viele Leserinnen und Leser in dieser Familiengeschichte
aus Thüringen wiedererkennen, werden sich an die Schicksale
ihrer Großeltern und Eltern erinnert fühlen,
an Geschichten, die in alten Briefen und Fotoalben bewahrt
sind und von denen man meistens denkt: Das interessiert
doch eigentlich niemanden mehr.
Es sei denn, man erzählt es den Enkeln, für die
das Geschichten wie aus einer anderen Welt sind. Geschichten,
die eben davon erzählen, wie Menschen sich auch unter
widrigsten Umständen durchschlagen, den Rücken
krumm machen, um die Familie über Wasser zu halten,
und auch dem Schicksal die Stirn bieten, wenn es sich sperrt.
... viele, viel zu viele Mächtige erweisen sich in
ihrem Tun eben ganz und gar nicht als groß, sondern
schäbig und menschlich klein. Während viele der
scheinbar so kleinen Leute in ihrem Alltag immer wieder
Größe und Herzlichkeit zeigen. Manchmal etwas
raubeinig, weil man in dieser Welt nicht gelernt hat, sich
selbst für besser zu verkaufen oder großspurig
von seinen Taten zu reden. Beiläufiug bemerkt: Ein
sehr ostdeutsches Thema. Man bescheidet sich, auch weil
man weiß, was Bescheidenheit wirklich bedeutet. Und
dass zuletzt jede auf jeden und jeder auf jede angewiesen
ist.
Ralf Julke, in: Leipziger Zeitung, 21.3.2025
Nächste Lesung
aus dem Buch
12.5.2025: Buchhandlung
"Möwe" in Warnemünde
13.5.2025: Literaturhaus Rostock
24.5.2025: Thalia-Buchhandlung Jena
18.6. 2025: Stadtbibliothek von Saalfeld
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