Die Presse urteilt:
Dieses
Buch der Briefe lebt von Bildern. Denen, die man sich gegenseitig
schickt (die zahlreich abgebildet sind), den selbstgemachten
also, denen, die man irgendwo gesehen hat und über
die man spricht - und schließlich auch jenen Bildern,
die im Kopf des Lesers von „Salut & Flügelschlag“
entstehen. Kein Wunder, denn es sind Künstlerbriefe.
Wo in diesen das Wort aufhört, beginnt das Bild - und
umgekehrt.
(...) Die Mithandelnden, darunter bis heute bekannte und
schon damals unbekannte, werden vom Herausgeber Jens-Fietje
Dwars mittels zahlreicher Anmerkungen detailgenau in ihren
jeweiligen Verstrickungen zu Hussel und Ströch (Altenbourg)
vorgestellt.
Was verbindet zwei an sich doch konkurrierende Künstler,
die Briefe wie Brücken zueinander bauen? Altenbourg,
der sich in der Provinz gelegentlich wie lebendig begraben
vorkommt, spricht es aus – „gleiche Buchinteressen
lassen die Zeit wie im Flug vergehen“ (8. November
1961).
(...) Noch etwas fällt dem nicht nur lesenden, sondern
schauenden Publikum ins Auge: Hussel als Fotograf! Auch
das ist er mit Passion bis heute - und dieser Freude am
Bild, das per Knopfdruck entsteht, sind erstaunliche Porträtaufnahmen
von Gerhard Altenbourg zu verdanken, die ihn 1961 und 1962,
dann mit einer Pause, 1967 zeigen. Wir sehen einen sehr
repräsentativ wirkenden, bürgerlich hin zur Größe
strebenden, fast schon aristokratischen Mann mit Mitte Dreißig
(in schwarzem Anzug und teilweise mit einem arrogant wirkenden
Hut), sehr sendungsbewusst und mit scharfem Existenzialisten-Profil.
(...) Wer an echter Poesie, also jener, die sich immer verbirgt,
teilhaben will, der lese dieses Briefgespräch zweier
Künstler, die im Peripheren ein Zentrum finden (feiern!),
das alltägliche Ahnungen auf überreiche Weise
transzendiert.
Gunnar Decker, in: Marginalien. Zeitschrift für
Buchkunst und Bibliophilie. Heft 1/2017
„Mit Salut und Flügelschlag“ überschreibt
der Herausgeber dieses erstaunliche Konvolut von Briefen,
Zeichnungen, Manuskript-Faksimiles und Fotos, gedruckt in
einer Zeit, da kaum noch Papierbriefe, von Hand geschrieben,
zirkulieren. (...) Ihr Briefwechsel setzt 1960 ein, zwischen
dem damals 26-jährigen, zum Kollegen „aufblickenden“
Hussel und dem damals 34-jährigen Ströch, der
im Jahr zuvor endgültig in sein Elternhaus zurückgekehrt
war und begonnen hatte, daraus ein Kunstgehäuse zu
schaffen. Im Verlauf des Briefwechsels bleibt man beim „Sie“,
auch wenn man vertraut miteinander plaudert, in anspielungsreichem,
humorvollem, sprachlich gelegentlich virtuosem Tonfall.
Zwei Könner, der eine durch seine Bekannt-, ja später
Berühmtheit im Westen ausgezeichnet, der jüngere
sich einen Ruf nach und nach erarbeitend: skurrile Solitäre
beide. (...)
Besonders Hussel, der mit Veröffentlichungen im Eulenspiegel
Verlag, bei Reclam oder im legendären POESIEALBUM nach
und nach im Lande bekannt wird, ohne sich für Geld
und gute Worte zu verkaufen, nutzt Briefe, um der Sprach-Spiellust
freien Lauf zu lassen. (...)
Was dieses Buch aber vor allem auszeichnet: die vielfältigen
und genauen Anmerkungen des Herausgebers, bisweilen den
Briefen im Umfang gleichkommend. Da scheint eine ganze Epoche,
eine Welt-DDR und eine Welt ohne DDR-Insel auf. Das Leben
um die Briefe und deren Verfasser herum wird deutlich: gemächlich
und frustrierend, freizügig im Geiste und beschränkt
in den Buch- und Kunst-Materialien. Wenn eine übers
Wasser schallende Musik erwähnt wird, vermerkt der
Herausgeber, das dies vom Altenburger „Cafe Teichterrassen“
herrührte. Genau solche scheinbaren Kleinigkeiten sind
es, die ein Epochenbild anschaulich machen. Eine Künstlerwelt,
die Hussel nebenbei so zusammenfasst: „Ich weiß
gar nicht, was das ist: modern.“
Matthias Biskupek, in: Palmbaum, Heft 1/2017
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